Cambodia – Kratie

Die achtstündige Fahrt im Van war eher „unerquicklich“: Mehr Fahrgäste als Sitze, Sven muss vorn neben dem Fahrer sitzen, ich habe den durchgesessenen Notsitz, keine Kopflehne, nichts zum Anlehnen. Der Fahrer spricht kein Englisch und gibt sich auch sonst keine Mühe, irgendeine Information abzusondern. 😉
Überhaupt muss man sich in Kambodscha dran gewöhnen, dass man pro-aktiv keine Informationen bekommt, vielleicht wissen die Menschen aber auch nicht, was für Reisende wichtig sein könnte.
Die Stadt Kratie (gesprochen Kratschée) liegt zwischen Siem Reap und Phnom Penh am Mekong. Da die Infrastruktur und der Straßenausbau noch sehr zurückgeblieben ist, fahren wir die nördliche Route, es scheint keinen direkten Weg zu geben.
Das uns der Busfahrer direkt bei Mr. Rith absetzt, erfahren wir erst als der Bus in einer schotterigen Seitenstraße hält und Rith uns freundlich begrüßt.

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Wir hatten uns im September bei „WorkAway“ angemeldet (Volunteering gegen Kost & Logis weltweit), weil uns das als eine Möglichkeit erscheint, um unseren späteren Neuseelandaufenthalt interessant und kostengünstiger zu gestalten. Dabei kommt man garantiert mit den ‚locals‘ in Kontakt!
Rith hatte uns quasi direkt nach unserer Anmeldung kontaktiert und uns zu sich eingeladen, als Englisch-Lehrer in seiner privat eingerichteten Schule (NGO = non government organisation), den armen und Waisenkindern Unterricht in Englisch und später auch in der Nutzung von Computern zu geben. Sein Projekt ist erst drei Monate alt und seit dem durchweg mit mindestens drei Volunteers besetzt.

Wir haben Schlichtheit erwartet, sind jedoch bei der Ankunft erstmal ernüchtert. Aber wir haben ein eigenes Zimmer, Matratze auf dem Boden, ein Moskitonetz und ein paar Haken an der Wand. Das Gemeinschaftsbad hat eine europäische Sitztoilette ohne Spülung, dafür gibt es einen großen gemauerten Wassertrog, aus dem das Wasser für die Klospülung geschöpft wird. Der Duschkopf hängt irgendwo auf halber Höhe dazwischen, der Trog ist gleichzeitig Waschbecken. Keine Seife, Klopapier ist auch so gut wie alle. Kurzer Augenblick der „Notstandssituation“ für mich, aber wir schaffen es uns irgendwie einzurichten. Die anderen Volunteers sind noch beim Samstagausflug, gegen 18 Uhr kommen sie zurück: Cari, Josue – Spanier, Nina, Apauline – Französinnen, Tanya – Russin.
Sie haben einen Ausflug entlang des Mekong gemacht, zu der Stelle, wo die Delfine leben. (Das machen wir die Woche drauf auch.)
Riths Frau Sopheavy kocht jeweils Mittag- und Abendessen, es gibt Reis mit zwei unterschiedlichen vegetarischen Gerichten dazu. Zum Frühstück kauft Rith meist irgendwelche lokalen Backwaren. Für Getränke müssen wir selber Sorgen, es gibt nur das gefilterte, nach Chlor schmeckende Leitungswasser.
Das Projekt bzw. die Schule finanziert sich nur durch die 5$ pro Tag, die jeder Volunteer für das Essen bezahlt. Sämtliche Materialien sind überwiegend von den Volunteers mitgebracht worden. Schulbücher gibt es keine. Da rührt sich bei mir wieder der „Ungerechtigkeits-Gedanke“ bzw. die Schizophrenie der Unterschiede zwischen Überfluss und Mangel: Überlegt mal, wie viele Haushalte noch die alten Schulbücher in Keller oder auf Dachböden lagern, ohne dass damit je wieder etwas gemacht wird. Diese englischen Schulbücher könnten soviel helfen bei Projekten wie Rith’s…schickt Pakete nach Kambodscha mit alten englischen Schulbüchern, ausrangierten Notebooks und PCs, alles was bei uns herumsteht oder weggeworfen wird, kann hier hilfreich sein.

So ist es auch von den Volunteers ‚finanziert‘, mit den Kindern am Sonntag in das örtliche Sport-/ Jugendzentrum zu gehen, es gibt zwei überdachte Kunstrasenflächen zu mieten – 1 Stunde für 5$ – und das Wasser, das die Kinder trinken, wird auch von uns bezahlt.
Dann ist Sonntagmorgen, die Sportstunde beginnt um 9 Uhr, die Kids sind ab ca. 07:30 Uhr bei Rith auf dem Hof, spielen, malen und beschäftigen sich irgendwie. Ich bin sehr aufgeregt, aber völlig umsonst, die Kinder nehmen jeden neuen Volunteer sofort an, auf dem Weg zum Sportzentrum habe ich an jeder Hand zwei Kinder, die hüpfen, singen und um uns herum springen.
Den Rest des Tages haben wir frei, wir ‚lernen‘ von den anderen, da diese innerhalb der nächsten zwei Tage abreisen und durch neue Volunteers abgelöst werden.

Die Schultage sind wie folgt gegliedert:
um 9 Uhr – die Basic-Klasse
um 10 Uhr – die Intermediate-Klasse
Lunch-Break
um 13 Uhr – die zweite Intermediate-Klasse
um 14 Uhr – die zweite Basic-Klasse
Insgesamt betreut das Projekt 36 Kinder mit sehr stark abweichenden Englischkenntnissen. Wichtig ist: die Kinder kommen jeden Tag vor oder nach ihrem regulären Schulunterricht. Sie sind zwischen 7 und 13 Jahre alt. Die Familienverhältnisse kennen wir nicht, aber man kann einigen der Kinder schon ansehen, dass ihr Leben kein „Zuckerschlecken“ ist. Um so erstaunlicher, wieviel Offenheit und Herzlichkeit sie uns allen entgegenbringen. „teacher, can I have paper, please!“ (Wir heißen alle „teacher“ … manchmal kommt auch nur ein fordernd-fragendes „teacher, paper?!“) Und dann wird gemalt.
Rith’s Projekt ist das erste in Kratie, er denkt aber schon an ein weiteres. Zum Glück kommt am Montag ein neuer Volunteer: Richard ist ein aus Gesundheitsgründen pensionierter ‚echter‘ Englischlehrer aus England. Er will ca. drei Wochen bleiben und dank seiner Erfahrung kann er für die Schule eine Art Lehrplan entwickeln für ein ganzes Jahr, an dem sich dann kommende Volunteers orientieren können.
Weitere neue Volunteers sind: Olivier & Alice – Franzosen, Shannon und Jodie – Engländerinnen, und kurz bevor wir abreisen kommen noch Sophie & Guillaume – Franzosen.

Die Woche mit den Kindern ist eine sehr herausragende Erfahrung! Beschreiben fällt schwer, ich glaube, die Fotos sagen mehr aus…
Bevor wir montags weiterreisen, gibt es am Sonntag nicht nur Ballsport, sondern noch eine weitere Stunde Spaß mit den Kindern: neben der Ballsporthalle gibt es einen Swimmingpool, der kostet extra, aber da wir an dem Tag neun Volunteers sind, gönnen wir uns und den Kindern die 30$ extra! Was für ein Spaß!!!

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Besonderes Highlight
Olivier und Alice „basteln“ einen kurzen Film über dieses Projekt:

 

 

Und sonst:
Kratie ist eine überschaubare Kleinstadt – von der ich nicht so viel mitkriege, da ich mir in Angkor den Fuß verstaucht hatte und der durch die mühsame Busreise wieder stark angeschwollen war. Um tagsüber den Unterricht mitzumachen, muss ich nachmittags den Fuß hochlegen. Sven hat die Gegend mit den anderen zusammen mehr erkundet, sie waren auch zusammen auf der Insel im Mekong, für eine Radtour/Umrundung. Den Ausflug zu den Irawadi-Delfinen habe ich mitgemacht, diese sind jedoch nicht so zutraulich sondern schwimmen nur in weiter Entfernung von den Booten. Und trotzdem diese regelmäßig zum Luft holen auftauchen müssen, sehen wir nur wenige.
Info: Die Population der Irawadi-Delfine im Mekong soll laut der jüngsten Zählung aus nur noch etwa 70 Tieren bestehen. (www.definschutz.org)

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Dann haben wir von Josue noch gelernt, aus langen Luftballons Figuren zu formen, das war lustig. Und ein gutes Mittel, mit den Kindern Farben zu lernen! 😉

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2 Gedanken zu “Cambodia – Kratie

  1. Hallo ihr Lieben,
    Ich wünsche euch besinnliche ruhige Feiertage. Bleibt gesund , kommt gut in ein hoffentlich gesundes erfolgreiches neues Jahr . Weiterhin viele schöne Eindrücke und Erlebnisse auf eurer großen Reise .
    Seid ganz lieb gegrüßt und fühlt euch mal feste geknuddelt 😊 Elke

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